Körperfunktionen
Wissenschafts-Kolumne von Witte
Teil 1
Erstveröffentlichung in Kiezkieker #2 vom 5.08.2011
Wenn man den Kopf in der Sauna hat und die Füße im Kühlschrank, sprechen Statistiker von einer angenehmen mittleren Temperatur. So sagte es jedenfalls mal … na? Von wem kommt das? Wer weiß es? Wer weiß es? Bueller?
Zweite Ausgabe Kiezkieker, und schon ein Zitat von Franz Josef Strauss. Skandal! Kann ja eigentlich nur noch maximal drei Hefte dauern, bis Titten auf dem Cover sind. Muss das sein? Und vor allen Dingen: was soll das überhaupt?
Nun, Statistiken ähneln in gewisser Weise dem St.Pauli-Forum: an und für sich nur eingeschränkt aussagekräftig, variabel interpretierbar und oftmals entbehrlich …aber ab und an eben doch mal ganz interessant. Oder zumindest belustigend. Beispielsweise - Belege und Quellen lassen wir hier mal gepflegt außen vor, wir betreiben schließlich Gesinnungsjournalismus – frisst der/die Deutsche in 75 Jahren das 700fache des jeweiligen Köpergewichts. Einen fast drei km hohen Stapel Brot, drei Ochsen, vier Kälber, acht Schweine, vier Hammel, 300 Hühner, 75 Gänse, 100 Tauben, 5000 Fische, ebenso viele Eier, vier Tonnen Zucker und 500 Kilogramm Salz.
Besagt zumindest die Statistik. Im Internet. Ist mir auch relativ schnuppe inwieweit das passt, oder wie angesagt Ochsen, Hammel und Tauben bei der Leserschaft sein mögen. Das muss halt jeder für sich selbst entscheiden. By the way, vermisst jemand da oben Rinder? Sind die in den drei Ochsen mit eingerechnet? Ich meine, wer den Ochsen nicht von Kuh und Bulle bzw. Stier zu unterscheiden in der Lage ist, bei dem läuft im Leben wohl so einiges schief. Nicht bloß statistisch gesehen. Aber back to topic.
Rund 25.000 Liter Speichel helfen, den Kram runter zu bekommen, und wem das nicht reicht, der greift zu einem der 45.000 Liter Flüssigkeit im Leben. Hierbei soll im Übrigen Wasser (9600 Liter) gegenüber Bier (9300 Liter) wohl ganz knapp das Rennen machen. Wir sagen: Fahr mal auswärts!
Was macht der Mensch nun nach der ganzen Völlerei (sechs Jahre am eigenen Tisch und eineinhalb in Restaurants) bloß? Mal eine durchziehen? Gute Idee, sagen Raucher circa 7000fach im Jahr, dazu ´nen Spaziergang? Kommen beim Deutschen ungefähr 40.000 Kilometer zusammen, einmal rund um den Globus … BRD, Land der Kosmopoliten.
Irgendwann schläft der Durchschnittsdeutsche dann auch noch mal, und zwar gute acht Stunden täglich. Natürlich gilt nach wie vor, dass wer nachts schläft sich nicht wundern darf, wenn er tagsüber arbeitet; aber all der oben beschriebene Zinnober ist schlussendlich doch zu etwas nütze, führt dann nämlich zu einem mitunter schmerzhaften, stets aber erfüllend befreienden (Ist das schon ein Oxymoron? Kann mir das jemand beantworten, oder müssen wir erst in der Gegengerade verkaufen, bis uns ein Germanist in die Hände fällt?) und ausdrucksstarken Vorgang: dem Schiss. Auch als Stuhlgang oder Defäkation bezeichnet, fristet dieser elementare Moment des Daseins ein Nischendasein in Publizistik und zwischenmenschlicher Kommunikation. Warum nur?
„Ach nee, weißt Du, irgendwie bin ich heute nicht so gut drauf und…“ ist doch Kokolores. Die Frage nach dem eigenen Befinden klipp und klar mit „Teerstuhl, knotig“ beantwortet, und jeder weiß, was Sache ist. Ob der Tag grau-lehmfarben oder rot-marmoriert beginnt, ob unsere Tagesform reiswasserähnlich oder doch eher bleistiftartig ist, verdient mehr Öffentlichkeit als nur das Stuhltagebuch, denn: tue Gutes und rede darüber!
„Wie denn?“, mag man nun fragen, und die Antwort kann nur lauten: präzise in der Formulierung, souverän im Urteil … doch könnte jemals ein „ungewollter Stuhlabgang“ die individuelle Schmach im Moment dessen in Worte fassen? Schwerlich, und so bedarf es hier farbiger, lebensnaher Metaphorik statt kalter akademischer Diktion. Diarrhöe schön und gut, aber ob es sich jetzt eher um einen mit brachialem Druck hervorbrechenden Becken-Sprenkler oder den unangenehmen Pressstrahl handelt, geht hieraus nicht hervor. Ebenso wenig vermag „erhöhte Stuhlfrequenz“ zu umschreiben, wie die peristaltischen Wellen die individuelle physische Plattentektonik erzittern lassen können. Hier tut Begriffsbildung Not. Teflon-Schiss beispielsweise; nichts klebt, nichts stinkt, gute Sache das. Schont auch die Umwelt, weil einiges an Papier und mindestens zwei Streichhölzer weniger den Weg in die Kanalisation anzutreten haben.
Das Gegenteil hiervon mögen diejenigen kennen gelernt haben, die vor der Omnipräsenz diverser Billig-Fluglinien südeuropäische Gefilde per Bus oder Bahn bereisten. 18 Stunden sitzen, vorher fressen, währenddessen fressen, ankommen, Pizza holen. Weiterfahren, trinken, fressen, spät auf die Iso-Matte und die nächsten Tage das gleiche Programm, schon ist er da. Der Keil. Ein die eigene Physis überforderndes Volumen gepaart mit Beharrungskraft, die Gaddafi, Assad oder Kohl zur Ehre gereichen würde. Aussitzen ist auf Hock-Klosetts eben auch nicht drin, und schon schleppt man das Ding länger mit sich rum als eine Ordensschwester einen sündigen Gedankengang. Wer behauptet, Börse sei 50% Psychologie hat vielleicht nicht unrecht, aber was die Notdurft anbelangt, liegt der Prozentsatz mit Sicherheit drüber. Ungewohnte Umgebung führt rasch zu ungewollter Enthaltsamkeit hinsichtlich der Entsorgung von Verdauungsüberresten, und schon bald machen Insider-Tipps die Runde. Wen interessieren schon Bezugsquellen illegaler psychoaktiver Substanzen, wenn eine Bar im Ort über ein Sitz-Klo verfügt oder auf einem Baugrundstück ein Dixi gesichtet wurde?
Apropos, der Italiener an sich bzw. als solcher macht uns nicht nur in Sachen Kleidung und Lebenskunst etwas vor, sondern verfügt auch über mobile Örtchen, auf denen sich der Gast auf schiefe Ebenen erleichtern darf. Das Elaborat kann dann mithilfe einer seitlich angebrachten Mechanik quasi per Förderband in die Sammelvorrichtung entsorgt werden. Erspart einem den Anblick von in Urin treibenden Exkrementen und macht einen Heidenspaß. Schiefe Ebene und Hebelwirkung, vorangestellt ein wenig Geologie, den diese ist bekanntlich das Studium von Druck und Zeit. Mehrere physikalische Grundprinzipien auf einem Quadratmeter … multi-tasking from a single workstation. Nebenbei erwähnt, produziert der bereits erwähnte Durchschnittsdeutsche im statistischen Mittel täglich 192 Gramm Kot …Versager!