Im Süden von der Elbe...

... da ist das Leben nicht dasselbe.

Vielleicht liegt es an meinen Genen, die zur Hälfte harburgisch geprägt sind, aber dieser Stadtteil lässt mich nicht los. Er fasziniert mich zeitlebens. Es handelt sich lediglich um eine Flussüberquerung, aber gefühlt ist der oft sehr stiefmütterlich behandelte Süden immer noch kein richtiger Teil Hamburgs.

Trübes Wetter, die triste Hannoversche Straße hinaufradelnd. Die Schlote vom Phoenix-Werk begrüßen einen diesmal nicht mit dem üblichen Gestank aus heimischer Gummiproduktion, der dem gesamten Areal seit über 150 Jahren diesen unverwechselbaren Duft beschert, der sich ganz tief in meine Hirnrinde gefressen hat. Fällt dieser Reiz, wie heute, aus, so bin ich fast ein wenig enttäuscht.

Meine Oma, die schon lange auf dem Harburger Friedhof liegt, wohnte damals keine 50 Meter neben den Gummi-Werken, was unterm Strich auch sicherlich nicht gesundheitsfördernd gewesen sein dürfte. Dafür war die Luft jedoch noch nicht so bleihaltig, wurde im Phoenix-Viertel auf der anderen Seite der Wilstorfer Straße damals doch Vergeltung noch mit der flachen Hand geübt, in Backpfeifen-Währung bezahlt. Mittlerweile finden auf den zwei Hektar Problem-Gegend zwei Schießereien im Monat statt...

Besonders angetan bin ich auch immer wieder von Heimfeld und Wilstorf, wo mir manche Altbau-Quartiere den Eindruck verleihen, ganz woanders zu sein. In irgendeiner Großstadt hunderte Kilometer entfernt, weil viele Ecken und Straßenzüge einfach komplett anders als in Eimsbüttel, Altona oder anderen Stadtteilen auf der "privilegierten" Seite aussehen. Die Straßenschilder sind auch dort blau und die Müllkästen knallrot, aber städtebaulich gibt es Unterschiede, zumal beide Areale für hamburger Verhältnisse ungewöhnlich hügelig sind.

Habe jetzt noch mal meinen bisherigen Text durchgelesen und muss die Alarmglocken läuten: Große Gefahr aufkommender Langeweile!

Ich kürze deshalb ab.

Die Quote meiner Bezugspersonen im ungefähr ähnlichen Alter mit Wohnsitz Kiez und Umgebung ist extrem hoch. In jeder Straße, jeder kleinen Gasse, fast jedem Winkel kenne ich jemanden, der/die dort wohnhaft ist. Das nervt manchmal ja auch, wenn du im Edeka Paul Roosen-Straße ne halbe Stunde mit Palaver verdaddelst, weil dir selbst mittags in der Woche drei, vier Leute begegnen, an denen du nicht einfach so vorbeigehen kannst.

Bei den jungen Leuten, die regelmäßig im Fanladen verweilen, ist der Lebensmittelpunkt oft ein anderer. Das interessiert mich immer, dann prahle ich mit meinem Detailwissen über Borstel, Oldenfelde oder was auch immer. Wenn allerdings der Name "Harburg" fällt, bin ich aus beschriebenen Gründen besonders Ohr.

Sitz ich dann nachts am Rechner, feile an der ein oder anderen unausgegorenen Idee, dann spielen solche Themen natürlich mit rein. Prompt wird daraus ein flüchtiger Entwurf, der, sofern er in den Folgetagen noch mal aufgegriffen wird, ganz schnell produktionsfähig gemacht und geordert wird. Das Ganze ist eigentlich auch nur für den sub-elbischen Nachwuchs und deren Entourage gedacht. Wer allerdings auch ganz heiß auf derlei (harmlosen) Lokalpatriotismus sein sollte, kann schon am morgigen Freitag an gewohnter Stelle zuschlagen. Denn im Norden von der Elbe ist der Fanladen noch derselbe!