Schöner wohnen, hässlicher hören

Heute starten wir mit einem kurzen Zwischenfazit in Sachen Luftveränderung:

 

Nie wieder St. Pauli!

 

 

Nein, jetzt folgt natürlich kein Abgesang auf den Club, der immer noch komplett mein Leben bestimmt.

Es dreht sich um den Abschied vom Viertel als Lebensmittelpunkt, als Ausgangspunkt aller Handlungen. Nach über dreißig Jahren streiche ich die Segel und verorte mich einige Kilometer entfernt neu. In einer Umgebung, die mir verspricht, mich fortan wieder wohl zu fühlen.

Wer jung, laut und rücksichtslos ist, mag sich zwischen Fischmarkt und Millerntor noch wohl fühlen. Menschen mit normalen Schmerzgrenzen – die bei mir zugegebenermaßen auch mit steigendem Alter zunehmend enger gesteckt werden – können zumindest in der südlichen Hälfte St. Paulis nicht mehr leben.

Klingt abwegig, aber eine Wohnlage mitten im Heide-Park, oder Hansa-Land oder irgendeinem anderen Vergnügungspark dieser Prägung, wäre mit Sicherheit ruhiger als die Terror-Show, die hier im Sommerhalbjahr gnadenlos durchgezogen wird.

War logisch, dass all das während der Corona-Zeit durch die Lappen gegangene Geld wieder gerafft werden würde, jede halbwegs lauffähige Sau durchs Dorf getrieben und jeder Versuch, auch noch den letzten Cent aus diesem Amüsierviertel zu quetschen, unternommen werden würde.

 

Das letzte Quäntchen Charme und Liebreiz geht gerade verloren, weil nichts zu dumm und dreist ist, um hier nicht stattzufinden.

In Mopo-Kommentarspalten taucht dann sofort das unvermeidliche „Dann zieh`doch nicht dorthin!“ auf, das natürlich Quatsch ist, weil all der Mist, der einem nun die Petersilie verhagelt, beim Herzug vor drei Jahrzehnten gar nicht zur Last fiel, weil inexistent. Kein Schlager-Move, keine Cruising-Days, nicht dreimal täglich Feuerwerk, kein Slalomradeln um unzählige Kiez-Führungen, keine Junggesellenabschiede in lustigen Kostümen. Neulich war ich an einem Wochenende schon mittags sehr gereizt und fragte mich, was wohl als nächstes kommen möge. Wenige Sekunden später läuft ein Trupp Vollidioten durch meine Straße und skandiert: „Duisburg, ihr Zigeuner!“

Momente, in denen nicht etwa Wut aufkommt... sondern Fluchtgedanken. Einfach keinen Bock mehr, auch nur noch einen weiteren Monat auf diesem Schmelztiegel der Dummheit zu hausen.

 

24/7 Containerterminalkrach, am Wochenende pausenloser Kleinflugzeug- und Helikopterlärm, der sich über die zahlreich gleichzeitig stattfindenden Großveranstaltungen legt. Hunderte von Autoposern, die ständig den Kreisel Pepermölenbek – Reeperbahn – Helgoländer Allee – Hafenstraße abrasen, Nachbarn, die nach Mitternacht staubsaugen... drei Stunden lang. Dutzende Kläffer, die während Corona als Spielzeug gekauft wurden und nicht eine beschissene Minute Erziehung genossen, folgerichtig einen bunten Reigen an Verhaltensauffälligkeiten zelebrieren. Menschen, die auf Balkonen grillen und ihre Abfälle einfach von eben diesen auf die Straße werfen, damit auch die Ratten nicht leer ausgehen. Es nervt nur noch, wenn du das Fenster öffnest und unablässig eine Kakofonie aus einem Dutzend verschiedener Störgeräusche die eigenen Hirnströme, letztlich die Gesundheit angreift.

 

Diese Stadt kennt nur Raffgier. Schert sich einen Kehricht um die Bevölkerung zwischen Altona und der Neustadt. Mit denen kannst du alles machen. Denen kannst du alles zumuten.

Eigentlich passt doch auch der FC St. Pauli nicht mehr so richtig in seinen Stadtteil, denn es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass er mittlerweile genau genommen besser nach Altona-Altstadt oder gar nach Ottensen passen würde. Und zwar deshalb, weil nirgendwo in dieser Stadt weite Felder seiner so oft zitierten Werte so wenig gelebt werden wie rund um die Reeperbahn. Wo finden denn die Homophobie-Delikte, die sexistischen Vorfälle oder der Menschenhandel statt? Wo trifft sich jedes Wochenende der Pöbel aus dem gesamten Norden, der am liebsten ständig Gigi D'Agostini-Lieder grölen würde? Über Jahre daran gewöhnt worden, mit Scheuklappen durch die „eigenen“ Gassen zu laufen, um nicht fortwährend kotzen zu müssen.

 

 

An diesem Punkt des Textes hatte ich vor zwei Monaten aufgehört, weil eigentlich alles erzählt, zudem der Zornpegel bereits wieder abgesackt war.

 

Und was soll ich sagen? Dass es in der neuen Heimat besser werden würde und sich besser leben ließe, war eigentlich vorher schon klar. Mit einer Verbesserung um etwa zwei Schulnoten hatte ich fest gerechnet. Doch zu meiner großen Freude sind es eher derer vier. Vorher eine 5-, nun jedoch irgendwo zwischen 1- und 2+. Da kannste dann auch die drei Monate, während derer zwei Mietwohnungen bezahlt werden müssen, irgendwie verschmerzen.

 

Vermutlich war das jetzt für Euch auch nicht sonderlich interessant, aber die Flucht aus dem Viertel nach solch einer langen Zeit dort ist für mich persönlich natürlich das Highlight dieses Sommers. Der Aufstieg fiel ja noch in den Frühling...

Außerdem muss ich jetzt in Gesprächen wahrscheinlich nicht mehr ganz so oft erzählen, wie es denn nun sei, nicht mehr am Hafenrand zu wohnen.

Themenwechsel: Morgen ist der letzte Tag der Woche, an dem der Fanladen öffnet, weil Freitag ja in Ost-Berlin gespielt wird. Die ganze nächste Woche bleibt der Laden ebenfalls dicht. Ich pack morgen früh nochmal alle Reste ins Regal, die Ultras haben ihres heute auch noch befüllt. Wer also noch Sticker-Material braucht, sollte morgen zuschlagen.

Apropos zuschlagen. Habe den vor zwei Tagen von mir gelobpreisten NDW-Kanal noch ein Weilchen durchstöbert und neben weiterem Interessanten auch einigen stinkenden Müll gefunden, denen man sich eigentlich nicht aussetzen sollte, weil er nur Abscheu erzeugt. Vielleicht habe ich dabei sogar DEN schlechtesten Song aller Zeiten entdeckt. Ein Fund, den ich gern mit Euch teilen möchte. Hab drei Lieder ausgesucht: Das erste noch halbwegs harmlos, das zweite Ding  bereits richtig furchtbar und dann... naja, hört selbst:

 

Deutsche Version von Status Quo - In the army now:

Gefolgt von der Gruppe Bienenstich. Insektengift für die Ohren:

Aufgabenstellung: Mache den hirnrissigsten Song, der jemals in deiner Muttersprache vertont wurde. Er sollte mindestens knappe vier Minuten dauern, damit sich seine Hirnzellenstrukturzerstörende Kraft vollauf entfalten und walten kann. Was wäre das eine miese Foltermethode, irgendwen an einen Stuhl zu binden und hundertfach diesen Gassenhauer hören zu lassen... uuuaaaah!

Die Gruppe Malsy mit ihrem zurecht komplett in Vergessenheit geratenen Knaller "Telefon Terror Tony". Die Idee allein ist ja schon hundsmiserabel, aber das dann auch noch auf bayerisch ertragen zu müssen, zieht dir echt die Lederhose aus: