Umzug

Langfristige Wanderungsbewegungen innerhalb eines Stadions sind ja nichts all zu Außergewöhnliches. Gerade am Millerntor, wo das Stimmungszentrum bekanntlich öfters wechselte.

Als E-Jugend-Kind habe ich noch erlebt, wie der braunweiße Mob in der Halbzeit stets die Seiten wechselte, um immer hinter dem gegnerischen Torhüter eigene Treffer aus kurzer Distanz zu erleben... oder halt nur den Goalie zu piesacken.

Kurz darauf war es damit vorbei und die Nordkurve wurde endgültig zu der Fankurve, weil die Stehplätze auf der Gegengeraden (meines Wissens) dann (so wie heutzutage auch) etwas teurer waren.

Das ganze "Gegengeraden-Ding" begann jedoch bereits zwei, drei Saisons später, als der FCSP drei Jahre die Bundesliga rockte. Die Kutten und der, man möge mir den Ausdruck verzeihen, "White Trash" in der Nord, die "Politisierten" auf der GG. Beides koexistierte erstaunlich gut, was nicht zuletzt auch daran lag, dass das Fanladen-Umfeld den Alteingessenen mit Respekt begegnete. Zwar gab es natürlich ab und an Reibereien, aber niemand sprach der anderen Seite das Existenzrecht ab. Das damalige Nordkurvenpublikum würde heute so gnadenlos "weggecancelt" werden...

Viele gute Erinnerungen an die Zeit in der Mitte der Kurve. Viele jugendliche Alkoholeskapaden, berauschende Spiele, von denen Gleichaltrige heute noch ihren Kindern erzählen, weil das nun mal die geilsten drei Jahre FC St. Pauli waren.

Wie auf jedem Gipfel ist ein folgender Abstieg unvermeidlich. Und als die Nord 1994 ziemlich mau geworden war, auf die Gegengeradenmitte gewechselt, wo noch halbwegs Feuer loderte... das kurze Zeit später aber auch erlosch.

Dann 1997 Singing Area. Eine legendäre Saison, ehe es (aus mir immer noch nicht ganz begreiflichen Gründen) dort ganz flott rapide bergab ging. Der sich auf den Stehplätzen darunter gebildete Stimmungsblock war dann die nächste Option, die ersten Jahre USP. Auch eine famose Phase, wenngleich sportlich zermürbend.

2008 in die Süd, dort am Ende zumeist immer in der Froschperspektive unterwegs, also unten am Zaun, wo die Sicht aufs Spielgeschehen reichlich bescheiden ist.

Darauf hatte ich keine Lust mehr, zumal unsere Mannschaft ja bekanntlich oftmals sehr gepflegt gegen den Ball tritt, nicht selten Zungeschnalzen angesagt ist.

Und so bin ich nun in den Block 1 zurückgekehrt. Im Vergleich zu der alten Holzbretterbude stehst du gefühlt 15 Meter höher und siehst alles. Bis auf die Anzeigentafel, auf die ich aber gut verzichten kann. Aus solch einem Blickwinkel Leart Paqarada bei der Arbeit zuschauen zu dürfen, ist eine sehr glücklich machende Augenweide. In all den Jahrzehnten habe ich nie einen auch nur halb so elegant agierenden Spieler in braunweißem Dress gesehen.

Aber das Schönste an der neuen, alten Heimat ist, dass ich locker noch zwei Drittel der dort Anwesenden beim Namen nennen kann. Und das omnipräsente "Was willst Du denn hier?!" wird vermutlich auch rasch abebben, haha!