War heute mehrere Stunden mit dem Fahrrad unterwegs. Wenn das Wetter dann derart schön ist, gibt es eigentlich wenig zu meckern. Eigentlich. Denn richtig auf den Keks gehen mir die PS-Proleten. Nicht allein die Hasardeur-Fahrweise dieser Möchtegern-Niki Laudas, sondern speziell die unterirdisch schlechte Musik, die mit mehreren Hundert Watt aus den Boxen dröhnt. Monokultur wird landläufig meist mit Raps oder anderen Nutzpflanzen in Verbindung gebracht, aber nirgendwo scheint die Artenvielfalt geringer zu sein als bei zeitgenössischer "Pop-Musik". Ständig dieser unfassbar öde Einheitsbrei irgendwelcher gelackten Instragram-Visagen, deren Autotune-Gedödel wirklich jedes Mittelohr zur Aufgabe zwingt. Das Schlimmste jedoch sind die oftmals deutschen Texte, die mittlerweile durch die Bank von Leuten, die ganz offensichtlich nur rudimentäre Kenntnisse der verwendeten Sprache aufweisen, in die Welt geschissen werden. Wenn die Zielgruppe noch eine Prise weniger Artikulationsvermögen ihr Eigen nennt, geht die Rechnung leider auf.
Das wir uns nicht falsch verstehen - selbst ich bin fähig zur Relativierung. Da war auch eine Menge musikalischer Mist dabei, für den man in der zweiten Hälfte der 80er sein Taschengeld verplempert hat. 25 Mark bei "Schallplatte am Mönckebergbrunnen" für eine Eurythmics-LP geht auch heute noch als sinnvolle Investition durch, weil Qualität schlichtweg zeitlos ist. Aber andere Sachen, die einem heute auf Youtube wiederbegegnen, ziehen einem ein wenig die Schuhe aus, weil sofort die Erinnerungen hochkommen, wie man damals für solch eine Scheiße die spärliche Knete über die Ladentheke schob. Kennen wir doch alle. Ich reproduziere auch beileibe nicht die Gräuschkulisse der eigenen Jugend, sondern beschäftige mich fast ausschließlich mit Musik der Generation, die vor mir aufwuchs. Wer in die frühen 50er geboren wurde und seine /ihre Jugend in den späten 60ern verbringen durfte, hat damals - ohne es zu wissen - das große Los gezogen. Solch einen Kack wie Corona-Viren gab es damals auch nicht... ich schweife ab. Kommen wir zurück zu musikalischen Schwerverbrechen. Was war die größte Schande, für die Ihr Taschengeld verzockt habt? Na?
Mein übelster Fehlgriff dürfte auch Hunderttausenden oder gar Millionen anderen Kunden unterlaufen sein, denn das Teil war ja tatsächlich für Wochen auf dem ersten Platz von Media-Control:
Oha, was für ein Quatsch. Und ich hatte sogar die Langspielplatte mit noch weiteren Knallern, wie beispielsweise der zweiten Single-Auskopplung "Ying Tong-Song", von der ich (glücklicherweise) kein Video finden konnte.
Die letzten zwölf Monate habe ich mich generell zu viel mit Zeit beschäftigt. Will jetzt hier keine pseudophilosophische Tiefe hineinbringen, aber doch nicht unerwähnt lassen, dass mir mancher Wandel innerhalb der Jahrzehnte zu schaffen macht. Psychisch, physisch bin ich noch ganz intakt, was wiederum vermutlich dem vielen Pedalsport geschuldet ist.
Für die nächste Printausgabe unseres Fanzines sitze ich gerade an einem Text, der sich mit dem Reiz von "Ultras-Sein" vor zwanzig Jahren auseinandersetzt. Warum einem damals dieses ganze Italo-Ding wie die Faust aufs Auge passte, warum sich die Sicht darauf über die Jahre verändert und dergleichen. Dadurch auch wieder viele alte Bilder angeguckt, Symbolik wirken lassen. Drei Helden waren in den 70ern in den Kurven auf dem Stiefel recht präsent: Clockwork Orange-Alex, Jim Morrison und Che Guevara.
Kann sich jemand eine Ultras-Gruppe vorstellen, bei der heutzutage auf dem Hauptbanner irgendein aktueller Popstar prangen könnte?
Zurück zur Zeitreise. Dieses Video möchte ich noch zeigen: US-TV-Show 1967. Der Moderator und das Publikum kommen scheinbar aus einer Epoche, Jim Morrison aus einer anderen. Wenn die Koteletten nicht wären, könnte man meinen, zwischen Band-Leader und Fans lägen drei bis fünf Dekaden Abstand:
"Stil-Ikonen sterben nie" dachte sich offenbar auch jemand anderes und entwarf diese Montage hier: