Am Tage nach einem Heimsieg sieht die Welt immer bunt aus. Da kann das Unwetter draußen ohne Unterlass das welke Laub an die Fensterscheibe klatschen und der Himmel auch die letzten Schleusen öffnen... nichts vermag die gute Laune einzutrüben.
Wieder daheim gewonnen. Einfach so. Selbst das obligatorische Zittern am Ende kennt man nur noch vom Hörensagen. Tore - wie das Zweite gestern - erinnern an professionelles Rasenschachspiel, sah es doch aus, als hätte sich der FC St. Pauli kürzlich noch beim Kader des FC Barcelona bedienen dürfen.
Die Metamorphose, die unsere Mannschaft in den vergangenen Wochen vollzog, ist schlichtweg der Wahnsinn. So was kannten wir doch eigentlich -wenn überhaupt - nur in die andere Richtung, nämlich nach unten. Oder wir kannten sie aus Horrorfilmen wie "DIE FLIEGE" oder "AMERICAN WEREWOLF", wobei die Verwandlungen in diesen beiden Fällen eher negative Folgen für alle Involvierten hatten.
Ist es nicht auch eine Wonne, dass abermals bewiesen wurde, dass wir alle auch nach Jahrzehnten immer noch keinen blassen Schimmer haben? All das Palaver über den Kader, die Transferpolitik oder den Sport-Chef hatte unter dem Strich ganz genau wieviel Wert? Nüscht. Alles heiße Luft. Genau so gut hätten wir die verschwendete Energie auch nutzen können, die eigene Bude mal ordentlich zu putzen oder einen Origami-Kurs für angehende Senioren zu belegen.
Dann könnten wir jetzt wenigstens pussierliche Tiere aus Papier falten, anstatt Abbitte zu leisten.
Abbitte beim Trainer, Spielern und vor allem beim Sportchef.
Denn vor allem bei Andreas Bornemann wurde lange das graue Haar in der Suppe gesucht, Trägheit vorgeworfen und Inkompetenz unterstellt. Bis, ja bis dieser mit ganz kleinen Mitteln offenbar ganz hervorragende Arbeit geleistet hat und mit sehr geschickten anglo-skandinavischen Transfers bzw. Leihen - unter deutlich erschwerten Bedingungen angesichts diverser Langzeitverletzter im Kader - etwas geleistet hat, das nicht all zu weit vom Optimum entfernt sein dürfte. Das war vermutlich eine deutlich schwerere Aufgabe, als beispielsweise Coutinho zum FC Bayern zu locken, dem 12 Millionen Gehalt in die Hand zu drücken und sich dann feiern zu lassen, weil solch ein Ballkünstler natürlich kein Grobmotoriker ist, sondern bisweilen biederen Bundesligaverteidigern ihre Grenzen aufzeigt.
Auf jeden Fall lässt einen der gezeigte Sport beim FCSP momentan mit der Zunge schnalzen, die Heimspiele zu einem Erlebnis werden, wie selten zuvor. Was ebenfalls für Optimismus sorgt, ist, dass da gefühlt noch eine Menge Potenzial in der Mannschaft steckt, die sämtliche Gegner in der 2. Liga irgendwie viel kleiner erscheinen lassen.
Doch bevor ich jetzt die Bodenhaftung komplett verliere und vom bevorstehenden Aufstieg (Relegation gegen Augsburg) fasele, sei nochmals darauf hingewiesen, dass wir alle nicht den Hauch von Ahnung haben und alles womöglich nur ein Trugbild ist, ehe der Daumen wieder rapide nach unten zeigt.