Rassistischer Polizeiübergriff auf Minsker Gäste in Berlin

Stellungnahme zu den Vorkommnissen vor dem Spiel 1. FC Union Berlin gegen den FC Sankt Pauli

Am 15. März 2013 besuchten Fans des weissrussischen Vereins Partizan Minsk das Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem FC Sankt Pauli in der Alten Försterei. Es war der erste Abend einer deutschlandweiten Freundschafts- und Solidaritätstour für Partizan Minsk, die von Fangruppen aus Berlin, Hamburg, Babelsberg und Leipzig organisiert wurde. Nur wenige Stunden zuvor sind die Gäste aus der weissrussischen Hauptstadt in Berlin eingetroffen.

Union Berlin stellte freundlicherweise den Gästen aus Minsk ein beträchtliches Kontingent Freitickets zur Verfügung, um den Fans mit dem Besuch eines Spitzenspiels der 2. Bundesliga einen schönen Auftakt zu ermöglichen. Die Freude sowohl bei uns als auch bei den Gästen war groß. Schließlich wollten wir gemeinsam vor einer beeindruckenden Kulisse einen schönen Fußballabend verbringen. Doch es kam anders.

Auf dem Weg zum Stadion unterhielten sich die BerlinerInnen freundlich mit den Gästen aus Hamburg und aus Minsk. Eine Fan-Trennung oder Begleitung der Fan-Gruppen durch SicherheitsbeamtInnen fand bis zur Ankunft am S-Bahnhof Köpenick nicht statt und war auch nicht notwendig. Die Gäste waren aufgrund der entspannten Stimmung und trotz der langen Anreise voller Vorfreude auf das bevorstehende Stadionerlebnis. Dies änderte sich erst, als die Gäste und einige OrganisatorInnen der Freundschafts- und Solidaritätstour in der Nähe des Stadions Alte Försterei ankamen.

 

 

Die bis zu diesem Zeitpunkt große Gruppe, die ungefähr ab der Hälfte des Weges zum Stadion von einigen wenigen SicherheitsbeamtInnen sowie sogenannten szenekundigen BeamtInnen ohne besondere Vorkommnisse begleitet wurde, zerstreute sich. Einige begrüßten FreundInnen, unterhielten sich oder kauften Kleinigkeiten in der Tankstelle. Eine etwas größere Gruppe wartete an der Seite auf FreundInnen, die gerade auf der Toilette waren, und unterhielt sich mit Fans aus Hamburg. Zügigen Schrittes näherte sich eine Person, die, wie sich später herausstellte, ein sogenannter szenekundiger Beamter war. In schroffem Ton unterbrach die Person die Unterhaltung und fragte, wer die anwesenden anderen Menschen seien und woher sie kämen. Da die Angesprochenen sich selbst gerade kennenlernten und die schroffe Anrede völlig willkürlich sowie ohne Begründung kam, blieb die Frage unbeantwortet.

 

 

Was nun folgte, kann nur als rassistische Kontrolle und Isolierung der Gäste aus Minsk sowie als Provokation und willkürliche Repression durch die SicherheitsbeamtInnen und vor allem durch die sogenannten szenekundigen BeamtInnen bezeichnet werden. Ohne sich weiter zu erklären oder auch nur die Antwort abzuwarten rief einer der BeamtInnen in zivil Kräfte der Bereitschaftspolizei. Des Weiteren erklärte er, ebenfalls in schroffem Ton, dass nun eine polizeiliche Maßnahme durchgeführt werde. In Richtung vermittelnder Personen, zum Beispiel OrganisatorInnen der Freundschafts- und Solidaritätstour, erklärte ein Beamter in zivil, dass alle Anwesenden auf ihren Aufenthaltsstatus überprüft werden und bei Zuwiderhandlungen die Verbringung in Gewahrsam sowie eine komplette Identifikationsbehandlung inklusive Erfassung von Fingerabdrücken drohe. Außerdem wurden die Gäste aus Minsk als vermeintlich nicht-deutsche StaatsbürgerInnen durch die eintreffenden Einsatzkräfte von den Sankt-Pauli-Fans isoliert und eingekesselt. Die Gäste, die bis zu diesem Zeitpunkt lediglich eine anstrengende Busreise nach Berlin, aber eine sehr entspannte Anreise zum Stadion hatten, waren angesichts dieser Kriminalisierung und rassistischen Isolierung völlig verunsichert und fühlten sich an die Verhältnisse in Weißrussland erinnert. Die Staatsgewalt geht unter dem totalitären Regime von Alexander Lukaschenko ähnlich willkürlich und aggressiv mit Menschen um. Deshalb war dieses Vorgehen besonders für die die Gäste erschreckend.

 

 

Um die Situation zu entschärfen und deeskalierend zu wirken, informierten VertreterInnen des Fanladen Sankt Pauli sowie der OrganisatInnen der Tour die Gäste, darüber, was gerade passierte, und versuchten zu vermitteln. Außerdem wurden die SicherheitsbeamtInnen informiert, dass die Gäste aus Minsk Freikarten hätten, die sie als Geschenk direkt von Union Berlin erhalten hatten. Der Pressesprecher Christian Albert höchstpersönlich hatte die Karten einem Mitglied des Organisationsbündnisses übergeben. Weder die sogenannten szenekundigen BeamtInnen noch die Einsatzleitung interessierten diese Karten oder die Einladung von Union Berlin. Vielmehr wurde weiterhin auf der rassistischen Überprüfung bestanden, indem behauptet wurde, dass die isolierten Gäste aus Minsk illegale EinwandererInnen sein könnten, die überprüft werden müssten.

 

 

Trotz dieser offensichtlichen rassistischen Zuschreibung, alle nicht-deutschen Fans müssten automatisch „illegale“ EinwandererInnen sein, versuchten Fans des FC Sankt Pauli, VertreterInnen des Fanladen Sankt Pauli sowie der OrganisatInnen der Tour weiter deeskalierend zu vermitteln und die Situation aufzulösen. Die Einsatzkräfte ignorierten diese Versuche und isolierten die weitgereisten Gäste weiterhin. Außerdem wurden Menschen, die sich mit den Gästen unterhalten und ihnen die Situation erklären wollten, aggressiv angesprochen, grundlos zur Seite geschubst oder gar umgerissen und festgenommen. Die Selektion zwischen vermeintlich nicht-deutschen Menschen und deutschen StaatbürgerInnen war somit umfassend und wurde mit Gewalt durchgesetzt. Die Festnahmen vermittelnder Menschen resultiert somit einzig und allein aus dem rassistischen Verhalten der SicherheitsbeamtInnen im Allgemeinen sowie dem schroffen und aggressiven Auftreten der sogenannten szenekundigen BeamtInnen im Besonderen.

 

 

Die rassistische Isolierung und Selektion der Gäste aus Minsk, die Bedrohung durch SicherheitsbeamtInnen sowie die Gewalt gegen vermittelnde Menschen beweist erneut, dass sowohl die rund um Fußballspiele eingesetzen sogenannten szenekundigen BeamtInnen als auch die Einsatzkräfte willkürlich und unberechenbar agieren. Da selbst auf Vermittlungsversuche durch die OrganisatorInnen der Freundschafts- und Solidaritätstour und das Fanprojekt Sankt Pauli nicht reagiert wurde sowie die zahlreichen Hinweise ignoriert wurden, gehen wir davon aus, dass Festnahmen von Fans erwünscht war. Dies bestärkt uns weiter in unserer Ansicht gegenüber SicherheitsbeamtInnen in zivil und in Uniform, keinerlei Auskunft zu geben, da Deeskalationsversuche durch fannahe Personen und Institutionen übergangen werden und es trotz Vermittlungsversuchen zu Übergriffen auf Fans und Gäste kommen kann.

Wir wollen uns und unseren internationalen Gästen einen leidenschaftlichen und unvergessenen Spieltag jenseits rassistischer Kontrollen, willkürlicher Isolierung, Bedrohung mit Gewahrsam und polizeilichen Übergriffen ermöglichen.

 

 

Deshalb fordern wir die Hamburger und Berliner Polizei auf, Rassismus und Gewalt in den eigenen Reihen entschieden zu bekämpfen! Schluss mit rassistischen und willkürlichen Kontrollen rund um den Spieltag! Des Weiteren fordern wir die sogenannten szenekundigen BeamtInnen auf, jegliche Kriminalisierung von Fans, Bedrohung und Provokation zu unterlassen. Außerdem fordern wir die Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Festnahmen am 15. März 2013 sofort einzustellen und disziplinarische Maßnahmen gegen die rassistischen SicherheitsbeamtInnen und die sogenannten szenekundigen BeamtInnen einzuleiten!

 

Für einen Fußball ohne Rassismus!


Aktive Fans des FC Sankt Pauli und SV Babelsberg 03